Ein Bürgermeister, der Steuerbescheide mit einem persönlichen Begleitschreiben versieht und sich als Vorsitzender des Stadtrates von einem Mehrheitsbeschluss dieses Rates distanziert. Eine CDU-Fraktion mit ganzseitigen Anzeigen. Das passt natürlich zur bevorstehenden Bundestagswahl und zur Kommunalwahl im Herbst.
Was beide verschweigen:
- Die letzte große Erhöhung der Grundsteuer gab es auf Vorschlag des Bürgermeisters in 2021, mit Stimmen der CDU, und zwar um 36 %.
- Die Erhöhung der Grundsteuer in 2025 ist moderat, nach vier Jahren steigt sie um 6 %.
- Der Hebesatz der Stadt bewegt sich weiter im Mittelfeld des Rhein-Sieg-Kreises.
- Die Finanzlage der Stadt ist hochdramatisch. Laut Plan des Bürgermeisters soll die Verschuldung innerhalb weniger Jahre von 150 Millionen auf 260 Millionen Euro steigen.
- Die Mehreinnahmen aus der Grundsteuer-Erhöhung dienen einzig und allein dazu, eine explodierende Neuverschuldung der Stadt, für die eben jener Bürgermeister Verantwortung trägt, etwas zu verringern.
- Wenn manche Menschen ab diesem Jahr große Beträge mehr Grundsteuer zahlen, hat das allein mit der Grundsteuer-Reform insgesamt zu tun, und nichts mit der Entscheidung des Stadtrates.
Bürgermeister und CDU-Fraktion wissen eigentlich, dass angesichts einer der schwierigen Finanzlage Steuererhöhungen unausweichlich sind, wenn die Stadt weiter investieren soll in Bildung, Betreuung, Klimaschutz, Digitalisierung und Bevölkerungsschutz. Der Bürgermeister hat es sogar selbst öffentlich gesagt. Nur im Wahljahr will man davon nichts wissen. Die unbequemen Wahrheiten verschiebt man lieber auf die Zeit nach den Wahlen. Wir sagen voraus: Dieser Bürgermeister und diese CDU werden, wenn sich nicht grundlegend an der Finanzausstattung der Städte und Gemeinden etwas ändert, selbst wenn sie wiedergewählt werden und eine Mehrheit haben, die Steuern nicht senken.
Die Ratsmehrheit aus SPD, GRÜNEN und FDP hat einige Kürzungsvorschläge des Bürgermeisters vor allem im Bereich der sozialen Arbeit, die langfristig sogar Geld sparen, nicht angenommen. Das haben wir gegenfinanziert über Einsparungen in der Stadtverwaltung, denen die CDU nicht zustimmen wollte.
Auch GRÜNEN Politikern im Rat macht die Erhöhung der Steuern keine Freude. Wir haben allerdings, wie alle Ratsmitglieder, einen Amtseid geschworen: „Ich verpflichte mich, dass ich meine Aufgaben nach bestem Wissen und Können wahrnehmen werde.“ Das gilt für uns auch für Entscheidungen vor den Wahlen.
Lesen Sie selbst die Fakten.
Worum geht es genau?
Der Stadtrat hat mit seiner Mehrheit aus SPD, GRÜNEN und FDP den Hebesatz für die Grundsteuer B von 750 auf 796 Punkte (also um 6 %) ab 2025 erhöht. Er zieht damit die vom Bürgermeister Dr. Leitterstorf (CDU) für 2026 und 2027 vorgesehene Grundsteuererhöhung um zwei Jahre vor.
Die Grundsteuer zahlen die Eigentümer von Immobilien. Die Vermieter legen sie in der Regel auf die Miete um. So zahlen am Ende alle, die in Sankt Augustin wohnen, die Grundsteuer B. Und im übrigen natürlich auch alle ehrenamtlichen Kommunalpolitiker.
Die Grundsteuer wird wie folgt berechnet: Man multipliziert den Grundsteuer-Messbetrag mit dem Hebesatz. Beispiel: Bei einem Messbetrag von 100 Euro für die Immobilie, zahlt man in Sankt Augustin 100 x 796 % = 796 Euro Grundsteuer im Jahr.
Über diesen Hebesatz allein entscheidet der Stadtrat.
Wie war die Entwicklung der Grundsteuer B in Sankt Augustin bis jetzt?
Im Jahr 2018 lag der Grundsteuer B noch bei 490 Punkten. 2019 folgte eine erste Erhöhung auf 550 Punkte (+ 12 %), mit Stimmen der CDU. In 2021 schlug der neue Bürgermeister Dr. Leitterstorf (CDU) die Erhöhung von 550 auf 750 Punkte (+ 36 %) vor, die der Stadtrat auch mit den Stimmen der CDU beschloss. Dieser Wert von 750 Punkten gilt seit 2021 durchgehend.
Was war der Vorschlag des Bürgermeisters für die nächsten Jahre?
Bürgermeister Dr. Leitterstorf (CDU) schlug vor, nur für 2025 den Hebesatz bei 750 Punkten zu belassen. Er sagte in seiner Einbringungsrede allerdings: „Es ist mir jedoch ein Anliegen, allen Bürgerinnen und Bürgern bereits jetzt offen mitzuteilen, dass angesichts der auch mittelfristig ernsten Haushaltslage die Stadt mit diesem Hebesatz der Grundsteuer zukünftig nicht auskommen wird.“ Daher sah die Finanzplanung des Bürgermeisters selbst vor, den Hebesatz in 2026 auf 773 Punkte, in 2027 auf 796 Punkte und in 2028 auf 820 Punkte zu erhöhen.
Zusammengefasst sieht der Vergleich zwischen dem beschlossenen Hebesatz und dem Plan des Bürgermeisters so aus:
Wie hoch liegt der Grundsteuer B – Hebesatz in anderen Städten und Gemeinden?
Sankt Augustin liegt auch mit dem neuen Grundsteuer B – Hebesatz im Rhein-Sieg-Kreis im Mittelfeld. In Troisdorf (535 Punkte) und Königswinter (664) liegt sie niedriger, in Lohmar (782) oder Siegburg (790) praktisch gleich, und in anderen Gemeinden wie Hennef (882) oder Niederkassel (1010) teilweise deutlich höher.
Man kann es so sehen: Eigentümer einer gleichwertigen Immobilie zahlen in Hennef oder Niederkassel weiterhin deutlich mehr als in Sankt Augustin.
Wieviel Geld nimmt die Stadt dadurch zusätzlich ein?
Die Mehreinnahmen aus der vorgezogenen Grundsteuer B – Erhöhung betragen in 2025 etwa 960.000 Euro und in 2026 etwa 480.000 Euro, insgesamt also gut 1,4 Mio. Euro.
Warum hat die Ratsmehrheit entschieden, die Grundsteuer B um 6 % zu erhöhen? Wohin fließen die Mehreinnahmen?
Bürgermeister Dr. Leitterstorf (CDU) hat mit seinem Haushaltsplanentwurf 2025 einen Blick in den finanziellen Abgrund vorgelegt. Laut seinem Plan sollen die Schulden der Stadt, die über die letzten Jahre bei konstant um die 150 Millionen Euro lagen, binnen weniger Jahre auf über 260 Millionen Euro steigen. Das bedeutet ein massives Risiko und eine riesige Last für die kommenden Generationen. Allein die Zinszahlungen steigen demnach von derzeit etwa 4 Millionen auf 7 Millionen Euro pro Jahr.
Gründe dafür sind zu wenig Gelder von Bund und Land und seit 2021 massiv gestiegene Kosten zum Beispiel beim Personal, plus Ausgaben für notwendige Investitionen.
Die Ratsmehrheit aus SPD, GRÜNEN und FDP hat erkannt, dass es mit der Verschuldung so nicht weitergehen kann. Dies gilt vor allem deshalb, weil selbst diese Finanzplanung sogar noch optimistisch ist. So sind bestimmte notwendige Ausgaben zum Beispiel für den OGS-Ausbau oder den Schulausbau der Gesamtschule oder für ein neues Feuerwehrhaus Hangelar im Plan noch gar nicht enthalten.
Auch wenn die Mehreinnahmen von 1,4 Mio. Euro durch die vorgezogene Grundsteuer B – Erhöhung kein „Gamechanger“ sind, sind sie dennoch ein kleiner Beitrag, um die riesige Neuverschuldung zu verringern.
Entsprechend fließen die Mehreinnahmen komplett in eine geringere Neuverschuldung!
Was hat die Ratsmehrheit sonst so getan für Haushaltskonsolidierung?
Der Bürgermeister hat durchaus richtige Einsparvorschläge vorgelegt, welchen die Ratsmehrheit auch in wesentlichen Teilen gefolgt ist. Manche Vorschläge sahen jedoch Kürzungen im Sozialbereich vor, zum Beispiel bei Familienberatung, die so nicht tragbar waren. Die Ratsmehrheit hat sich alle Vorschläge sorgfältig angesehen und einen Teil nicht übernommen. Die Gegenfinanzierung erfolgte dann allerdings durch Einsparungen im Verwaltungsbereich, zum Beispiel durch Kürzung von Stellen in der Kernverwaltung. Das wiederum wollten CDU und Bürgermeister nicht mitgehen.
Welche alternativen Pläne haben CDU und Bürgermeister zur Senkung der Neuverschuldung?
Keine.
Was hat das mit der Hundesteuer oder der Gewerbesteuer zu tun?
Nichts. Hundesteuer und Gewerbesteuer wurden zum Jahr 2025 ebenfalls leicht erhöht, auf Vorschlag des CDU-Bürgermeisters und mit Zustimmung der CDU im Stadtrat. Warum der Bürgermeister Geld ausgibt, um mit den Hundesteuer-Bescheiden auch nochmal seine Position zur Grundsteuer deutlich zu machen, bleibt wahrscheinlich sein Geheimnis.
Warum wäre der Haushalt ohne Grundsteuer B – Erhöhung in 2025 genehmigungsfähig gewesen?
Die Finanzsorgen in den Städten und Gemeinden sind groß. Der Landtag hat daher beschlossen, dass Kommunen außer der Reihe Defizite in die Zukunft verschieben können, sodass sie rechnerisch in den nächsten Jahren noch über die Runden kommen. Das hat der Bürgermeister in seinem Haushaltsentwurf 2025 voll ausgereizt. Aber: Genehmigungsfähig heißt nicht „gut“ oder „nachhaltig“. Es ist jetzt schon absehbar, dass, sollte sich die Finanzsituation nicht grundlegend verbessern, der Haushalt ab 2026 oder 2027 nicht mehr genehmigungsfähig sein wird.
Wie wird die weitere Entwicklung der Grundsteuer B aussehen?
Das ist schwer vorherzusagen. Die Grundsteuer und die Gewerbesteuer sind die wesentlichen Steuern für die Städte und Gemeinden. Die Entwicklung der Gewerbesteuer hängt an der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt. Ein ganz wesentlicher Faktor sind allerdings die Zuweisungen von Bund und Land. Und da liegt das große Problem: Während Bund und Land an die Schuldenbremse des Grundgesetzes gebunden sind, sind es die Kommunen nicht. Daher verlagern Bund und Land systematisch Lasten auf die Kommunen, die dann vor riesigen Problemen stehen. Dabei passt überhaupt nicht zusammen, dass manche Parteien im Bund zwar fordern, an der Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form festzuhalten, gleichzeitig aber sogar umfangreichste Steuersenkungen versprechen ohne zu sagen, wie man die finanzieren will. Sollte sich das durchsetzen, wird sich die Finanzlage vor Ort eher noch verschlimmern.
Im Landtag hat die schwarz-grüne Koalition immerhin eine teilweise Übernahme von Altschulden auf den Weg gebracht, was die Städte und Gemeinden bei Zinszahlungen entlastet. Eine systematische Entlastung scheitert allerdings derzeit an der Schuldenbremse.
Die GRÜNEN sprechen sich daher auf Bundes- und Landesebene dafür aus, die Schuldenbremse für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz sowie Verteidigung zu lockern. Und wir sprechen uns dafür aus, dass sehr hohe Vermögen und sehr große Erbschaften stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Auch von den Entscheidungen in Berlin und Düsseldorf wird abhängen, wie sich die Steuerbelastung vor Ort entwickelt.
Was macht die Erhöhung der Grundsteuer B für mich konkret aus?
Das hängt natürlich davon ab, wie Sie wohnen. Auch die GRÜNEN Mitglieder im Stadtrat zahlen ihre Grundsteuer. Wir haben uns also einmal etwas verglichen. So kann man grob sagen: Eigentümer eines durchschnittlichen freistehenden Einfamilienhauses zahlen allein durch die Erhöhung des Hebesatzes um die 60 Euro mehr im Jahr, bei Reihenhäusern um die 40 Euro mehr jährlich. Wer zur Miete wohnt, dürfte um die 20 Euro mehr im Jahr zahlen. Das hängt aber immer von der Größe und dem Wert der Immobilie ab.
Ich zahle jetzt deutlich mehr Grundsteuer, woran liegt das?
Die Erhöhung von 750 auf 796 Punkte macht 6 % aus. Es gibt Fälle, in denen Menschen jetzt deutlich mehr Grundsteuer zahlen, das Doppelte zum Beispiel. Das liegt dann zum allergrößten Teil eben nicht an dem Ratsbeschluss zum Hebesatz, sondern an einer höher bewerteten Immobilie. Wenn dieser Wert richtig ermittelt wurde, kann man es auch umgekehrt sehen: Sie haben über Jahre oder gar Jahrzehnte deutlich weniger Grundsteuer bezahlt als andere mit einer vergleichbaren Immobilie.
Was hat das mit der Grundsteuer-Reform und der Aufkommensneutralität zu tun?
Die Grundsteuer B ermittelt sich aus dem Wert der Immobilie. Das ist dann auch die „soziale“ Komponente dieser Steuer. Denn in der Regel wohnen Menschen mit höherem Einkommen/Vermögen auch in teureren Immobilien. Jedoch waren die Immobilienwerte, auf deren Basis die Grundsteuer B ermittelt wurde, total veraltet. Das war dann ungerecht. Das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt und geurteilt, dass die Werte neu ermittelt werden müssen.
Dabei wurde von Bund oder Land verbreitet, man wolle „Aufkommensneutralität“. Das heißt: Es mag zwar sein, dass die einen mehr Grundsteuer zahlen und die anderen weniger, die Einnahmen in der Summe für die Kommunen aber nicht steigen. Dieses Versprechen wurde jedoch gegeben, bevor seit Corona und durch die Energiekrise und neue Tarifabschlüsse die Kosten in den Städten und Gemeinden massiv gestiegen sind. Am Ende entscheidet die örtliche Politik über den Hebesatz.